Bericht: „Neue Seidenstraße“ – Zukünftige Handelswege von Asien nach Europa

„Neue Seidenstraße“ – Zukünftige Handelswege von Asien nach Europa in Berlin im Blickfeld

In Berlin diskutierten am Mittwoch mehr als 320 Gäste Chancen für den Mittelstand entlang der Neuen Seidenstraße.

Es grenzt beinahe an eine schicksalhafte Fügung. Ausgerechnet am 29. März 2017 reicht die britische Regierung den Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union in Brüssel ein. Am Abend desselben Tages lädt der Wirtschaftsclub Russland gemeinsam mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin zu einer Informationsveranstaltung zur Neuen Seidenstraße mit dem Titel „Zukünftige Handelswege von Asien in den Ostseeraum“ ein.

Gerade in Zeiten einer bröckelnden Europäischen Union und einer möglichen Verschiebung traditioneller Handelsbündnisse zeigt die Veranstaltung, wie viel Potential in der wirtschaftlichen Kooperation mit Staaten der östlichen Hemisphäre liegt. Zu Gast waren Partner aus der heimischen und internationalen Wirtschaft. Eingeleitet wurde die Veranstaltung von Christian Pegel (Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern).

Weitere Gäste der Veranstaltung waren unter anderem:

  • Dr. Karin von Bismarck, Vorstandsvorsitzende Wirtschaftsclub Russland und Partnerin bei Stanton Chase International
  • Uwe Leuschner, Geschäftsführer DB Cargo Russia (Exklusiv-Interview)
  • Siegbert Eisenach, Hauptgeschäftsführer IHK zu Schwerin
  • Sergei Anashkin, Executive Director KTZ-E
  • Aleksey Grom, Präsident JSC UTLC
  • Andre Hempel, Geschäftsführer Trans Eurasia Logistics GmbH
  • Gernot Tesch, Geschäftsführer ROSTOCK PORT GmbH
  • Arkadij Rasin, Manager Business Development Emons EAST GmbH
  • Torgny Nilsson, Manager Seidenstraße des Hafens Trelleborg

Handelsroute von Ost- und Zentralasien nach Europa

Als Handelsroute auf dem Landweg verband das System der Seidenstraße einst Ost- und Zentralasien mit dem europäischen Kontinent. In der Initiative „Neue Seidenstraße“ sollen die Transportwege aus den asiatischen Produktionszentren Richtung Europa und vice versa unter den Bedingungen des frühen 21. Jahrhunderts wiederbelebt werden.

„Es ist uns wichtig, Verbindungen zwischen Asien und Europa zu stärken und zu pflegen“, sagten Uwe Leuschner und Dr. Karin von Bismarck, Mitveranstalter und Vorstände des Wirtschaftsclub Russlands. Gemeinsam haben sie auch das Unternehmernetzwerk „business-international.org“ gegründet mit dem Anspruch, den bilateralen Austausch zwischen europäischen und eurasischen Unternehmern zu fördern.

Mecklenburg-Vorpommern als logistische Drehscheibe

Für Deutschland soll vor allem das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu einer logistischen Drehscheibe in diesem multinationalen Vorhaben werden. Christian Pegel (SPD), Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern, hebt in seiner Rede insbesondere die Rolle der Hafenstadt Rostock als „bewussten neuen Transportbereich innerhalb der Neuen Seidenstraße“ hervor.

Da China ein großes Interesse daran habe, nordeuropäische Staaten wegen ihres hohen Wirtschaftspotentials als Handelspartner einzugliedern, biete sich die deutsche Hansestadt mit seiner Anbindung zu einem der größten skandinavischen Fähr- und RoRo-Schiffhafen im schwedischen Trelleborg hervorragend als Brückenkopf im Ostseeraum an, erklärte Pirko Zinnow, Bevollmächtigter der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern.

“Blutbahn von Deutschland nach Fernost”

Die neuen Handelswege beschränken sich aber keinesfalls nur auf den maritimen Sektor. Eine tragende Säule bei der Erschließung sei auch das Bahnnetz, so Uwe Leuschner, Finanzvorstand des Wirtschaftsclubs Russland und CEO von DB Cargo Russia. Den Ausbau dieses infrastrukturellen Netzwerkes bezeichnet er als „Blutbahn von Deutschland nach Fernost“.

Derzeit rollten täglich bis zu 15 Güterzüge zwischen China und Deutschland. Das Ziel sei es jedoch, diese Zahl mindestens zu verdreifachen, so Leuschner. Des Weiteren betonte er, dass die Neue Seidenstraße keineswegs in Konkurrenz zur Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) stehe, sondern viel mehr als Ergänzung zu dem bereits bestehenden Bündnis zu betrachten sei.

Transportnetz von Kasachstan

Insbesondere wegen seiner geographischen Lage gelte die Republik Kasachstan als zentraler Dreh- und Angelpunkt der Neuen Seidenstraße. Nach Angaben des Botschafters von Kasachstan in Deutschland, Bolat Nussupov, habe das Land allein im Zeitraum von 2010 bis 2015 zehn Milliarden US-Dollar in den Ausbau des Transportnetzes investiert. „Kasachstan will bis 2050 zu den 30 wichtigsten Industrienationen der Welt gehören“, so Nussupov.

Die Initiierung einer derartigen Handelsroute, in der das Land eine führende Funktion übernehme, trage zur Realisierung des ehrgeizigen Vorhabens der kasachischen Regierung bei. Obwohl die Republik Kasachstan ein Binnenstaat sei, sei es mit der richtigen Kanalisierung von Flüssen kein Problem, auch Gütertransporte über den Seeweg zum Empfänger zu befördern, erklärte der Manager des Hafens von Trelleborg, Torgny Nilsson.

Multikulturelles Verständnis

Ein weiteres Ziel der Handelsroute von der Ostsee nach China sei neben dem Ausbau von sozialen und logistischen Strukturen auch die Förderung des multikulturellen Verständnisses, unterstrich Dr. Karin von Bismarck, die Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsclubs Russland und Partnerin bei Stanton Chase International. Es reiche heutzutage nicht mehr, von räumlich getrennten Standorten miteinander zu kommunizieren.

Um erfolgreiche Geschäfte mit Handelspartnern abzuwickeln, müsse man stets vor Ort sein und im direkten Dialog miteinander stehen, erläuterte sie. „Nur durch Anwesenheit und persönlichen Austausch kann man einen gemeinsamen Stand von Bildung, Forschung und Weiterentwicklung erreichen“, sagte von Bismarck und verwies auf das Prinzip des Silicon Valley.

Titelbild
Robert Schlösser[/su_spoiler]