Morgenkommentar am 21. Juni 2017

Wettstreit der Vorwürfe: Welche Macht hat als erste gegen die regelbasierte – “rule-based” – Friedensordnung, die (angeblich) seit Ende des Kalten Krieges Geltung besitzt, verstoßen? Russland mit der Annexion der Krim 2014? Mit dem Georgienkrieg 2008? Oder der Westen, einige Monate zuvor, mit der Anerkennung des Kosovo? Die USA mit dem Einmarsch im Irak (2003) und Afghanistan (2001)? Die NATO mit dem Bombardement serbischer Städte 1999? Oder der Westen mit der Anerkennung der früheren jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien nach 1991?

Gedehnt, gebogen und zu Machtzwecken missbraucht wurde das Völkerrecht von den einen wie von den anderen. Das wird sich nicht ändern, solange es Juristen gibt, die jeden Rechtsbruch rechtfertigen. Doch was passiert, wenn das Völkerrrecht irgendwann zu Scherben geht?

Nimmt man die Entwicklung in Syrien als Maßstab, binden völkerrechtliche Normen schon heute nur noch fakultativ. Jedenfalls aus Sicht der Trump-Administration in Washington. Nachdem die US-Luftwaffe am Wochenende ein syrisches Flugzeug über syrischem Territorium abgeschossen hatte, war am Montag eine iranische Drohne an der Reihe.

In der “guten alten Zeit” hätte das einen Krieg ausgelöst, und der hätte sich nicht auf Syrien beschränkt. Nur die nukleare Abschreckung bewahrt uns (noch) davor – das sei allen Pazifisten, die gegen die Atombombe wettern, ins Stammbuch geschrieben.

Die USA, die (derzeit) einzige Supermacht, angeschlagen, aber noch lange nicht angezählt, greift unter Trump noch einmal ganz tief in den Eimer. Sie will es wissen, und wer es wissen will, erfährt es irgendwann auch.

Für die Westeuropäer gibt es nur eine Strategie: raushalten. Wer sich künftig zur “Rettung des Weltfriedens” auf HiWi-Koalitionen mit den USA einlässt, riskiert Kopf und Kragen, Haus und Hof. Nicht nur das Leben der Soldaten vor Ort. Das Motto für Politiker, die anderer Ansicht sind: Wer nicht hören will, muss fühlen.