Defizit sinkt rasch – Wird der harte Sparkurs aufgeweicht?

Finanzpolitik: Defizit sinkt rasch – Wird der harte Sparkurs aufgeweicht?

Das russische Finanzministerium hat Ende April eine reich illustrierte Broschüre zum Vollzug des föderalen Haushalts im Jahr 2016 veröffentlicht. Sie enthält auch einen Rückblick mit Daten zur Entwicklung des Haushalts seit 2012. Er macht deutlich, wie einschneidend die Auswirkungen des raschen Rückgangs des Urals-Ölpreises von 97,6 Dollar/Barrel im Jahr 2014 auf 41,7 Dollar/Barrel im Jahr 2016 für die Haushaltsentwicklung waren.

Das Defizit des zuvor fast ausgeglichenen Haushalts erhöhte sich bis 2016 um 3 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es soll laut Haushaltsplanung bis 2019 aber wieder rasch auf 1,2 Prozent des BIP gesenkt werden.

Ölpreiseinbruch drückte föderale Öl- und Gaseinnahmen um gut ein Drittel

Mit dem Einbruch der Ölpreise um rund 57 Prozent sanken die föderalen Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor von 2014 bis 2016 um rund 35 Prozent. Ihr Anteil an den gesamten föderalen Einnahmen ging auf rund 35 Prozent zurück. Zwei Jahre zuvor hatten sie noch gut die Hälfte der Einnahmen beigesteuert (2014: 51,2 Prozent). Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt erreichte 2016 nur noch 5,6 Prozent (2014: 9,4 Prozent).

Föderationshaushalt 2012 bis 2019

 20122013201420152016Jan.
- März 2017
Haushaltsplanung 2017Haushaltsplanung 2018Haushaltsplanung 2019
Einnahmen19,218,318,316,415,718,115,515,215,0
Ausgaben19,318,818,718,819,119,518,717,416,2
Defizit-0,1-0,5-0,4-2,4-3,4-1,4-3,2-2,2-1,2
Einnahmen, Ausgaben und Defizit in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt

Quellen: Finanzministerium: “Execution of the federal budget and the budgets of the budgetary system of the Russian Federation for 2016 (preliminary results)”, 25.04.2017; Economic Expert Group: Federal Budget Execution; Haushaltsplanung 2017 bis 2019: factosphere.com

Einnahmen fielen auch insgesamt – bei steigenden Ausgaben

Russlands Finanzminister Siluanow versuchte zwar, die Einnahmenausfälle im Energiebereich durch höhere Einnahmen aus anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen. Von dort kamen 2016 immerhin 22 Prozent mehr Einnahmen als 2014. Insgesamt nahmen die föderalen Einnahmen von 2014 bis 2016 aber um rund 7 Prozent ab. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt sank von 18,3 auf 15,7 Prozent.

Auf den Rückgang der Einnahmen reagierte die russische Finanzpolitik auch mit harten Sparmaßnahmen. Nach Abzug der hohen Preissteigerungen wurden die föderalen Ausgaben sogar gesenkt. Nominal stiegen sie in den beiden Jahren 2015 und 2016 um nur rund 11 Prozent. Der Anteil der Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich damit leicht von 18,7 auf 19,1 Prozent, während gleichzeitig der Anteil der Einnahmen am BIP auf 15,7 Prozent gesunken ist.

Rasch gestiegenes Defizit soll rasch wieder gesenkt werden

Das föderale Haushaltsdefizit erhöhte sich also trotz der Sparmaßnahmen innerhalb von nur 2 Jahren von 0,4 Prozent auf 3,4 Prozent des BIP.

Die im Herbst 2016 beschlossene Haushaltsplanung geht bei einem Ölpreis von 40 Dollar/Barrel davon aus, dass das Haushaltsdefizit 2017mit 3,2 Prozent des BIP ähnlich hoch sein wird wie 2016. Finanzminister Siluanow äußerte angesichts der gestiegenen Ölpreise inzwischen jedoch mehrfach, dass er in diesem Jahr mit einem Rückgang des Defizits auf rund 2 Prozent rechnet. Im ersten Quartal 2017 betrug es 1,4 Prozent.

Haushaltsplanung sieht reale Ausgabenkürzung vor

Auch die VneshEconomBank VEB geht in ihrer Ende April vorgelegten Konjunkturprognose davon aus, dass das Defizit 2017 von 3,4 auf 1,9 Prozent sinkt. Wird die im Haushaltsgesetz beschlossene Ausgabenplanung bis 2019 verwirklicht, wird das Defizit nach Einschätzung der VEB bereits 2019 völlig abgebaut sein.

Eine Realisierung der Haushaltsplanung würde laut den Vorausberechnungen der VEB allerdings einen deutlichen realen Rückgang der Ausgaben bedeuten. Sie würden jährlich zwischen real 4,1 Prozent und 4,9 Prozent bis 2019 sinken.

Kudrin für etwas langsameren Abbau des Defizits

Selbst der für seine solide Finanzpolitik bekannte frühere Finanzminister Kudrin sprach sich kürzlich in einem TASS-Interview dafür aus, nicht wie bisher beabsichtigt, das Haushaltsdefizit auf 1 Prozent des BIP zu verringern, sondern etwas weniger rasch auf 1,5 Prozent.

Kudrin wird bald seine im Auftrag von Präsident Putin erstellten Vorschläge für wirtschaftspolitische Reformen offiziell vorlegen. Im TASS-Interview sagte er unter anderem, er setze sich dafür ein, den Anteil der Bildungsausgaben und der Infrastrukturausgaben um jeweils 0,8 Prozentpunkte und den Anteil der Gesundheitsausgaben um 0,7 Prozentpunkte vom BIP zu erhöhen.

Prognose der EU-Kommission: Defizit sinkt zwar langsamer als geplant…

Die EU-Kommission glaubt in ihrer am 11. Mai veröffentlichten „Frühjahrsprognose“ nicht daran, dass die russische Regierung die „Konsolidierung“ der öffentlichen Finanzen so schnell wie geplant umsetzen wird. Sie verweist dazu insbesondere auf den „Wahlzyklus“, also auf Ausgaben, die im Hinblick auf die 2018 bevorstehenden Wahlen noch beschlossen werden dürften.

Die EU-Experten legen dazu eine Prognose für die Entwicklung des staatlichen Gesamthaushaltes vor, der neben dem Föderationshaushalt auch die Haushalte der Regionalregierungen umfasst. Sein Defizit stieg 2016 auf 3,7 Prozent des BIP. Die EU-Kommission rechnet damit, dass es 2017 um 0,7 Prozentpunkte und 2018 um 0,6 Prozentpunkte des BIP verringert wird. Demgegenüber sieht die Regierung in der Planung für den Föderationshaushalt einen stärkeren Abbau um jährlich einen Prozentpunkt vor.

… der reale Staatsverbrauch geht aber auch 2017 und 2018 zurück

Nach den Vorausberechnungen der EU-Kommission bedeutet dies, dass die staatlichen Verbrauchsausgaben real weiter eingeschränkt werden. In den beiden Rezessionsjahren 2015 und 2016 sind sie bereits um 3,1 Prozent und 0,5 Prozent verringert worden. Wie die meisten Beobachter erwartet die EU-Kommission 2017 und 2018 zwar eine langsame Erholung der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Russland (2017: + 1,2 Prozent; 2018: + 1,4 Prozent). Die russische Finanzpolitik wird nach Einschätzung der Kommission aber bewirken, dass der reale Staatsverbrauch weiter sinken wird (2017: – 0,7 Prozent; 2018: – 0,8 Prozent).

Kommt es so, werden die Lasten des Ölpreiseinbruchs jetzt im Bereich der öffentlichen Leistungen am meisten spürbar. Bisher hatten sie vor allem die privaten Haushalte zu tragen. Nach den Angaben der Kommission ist der private Verbrauch im ersten Rezessionsjahr 2015 um fast 10 Prozent und 2016 um weitere 4,5 Prozent zurückgegangen.

Quellen und Lesetipps zur russischen Haushaltspolitik:

Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”no”]Der russische Finanzminister Anton Siluanow. Gefunden auf kremlin.ru