Russische Konjunktur: Auch EU-Kommission viel skeptischer als Regierung

Die russische Regierung steht mit ihrer optimistischen Konjunkturprognose weitgehend allein da

Nach der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds hat Anfang Mai auch die EU-Kommission eine neue Konjunkturprognose für Russland vorgelegt. Sie fällt ähnlich skeptisch aus wie die Erwartungen von Weltbank und IWF. Auch ein Vergleich mit aktuellen Umfragen bei Banken-Analysten zeigt, dass die russische Regierung die Konjunkturentwicklung deutlich optimistischer als fast alle anderen Beobachter einschätzt. 

Zur Tabelle mit einer Übersicht der Prognosen gelangen Sie hier.

Im Jahresdurchschnitt 2016 wird von allen Beobachtern weiterhin ein erneuter Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion erwartet. In vier Umfragen bei Bank-Analysten (Economist, Bloomberg, Reuters, Focus Economics) wird in diesem Jahr im Durchschnitt übereinstimmend mit einer Abnahme um 1,3 Prozent gerechnet.

Erst 2017 erwarten fast alle Beobachter wieder Wachstum, das aber nach Meinung der meisten Experten schwach bleiben dürfte und den Rückgang im laufenden Jahr nicht einmal völlig ausgleichen kann. Die durchschnittlichen Wachstumserwartungen der Bank-Analysten für das nächste Jahr liegen zwischen +1,1 Prozent und +1,3 Prozent.

Russische Regierung gibt sich optimistisch

Am 6. Mai hat auch das russische Wirtschaftsministerium neue Prognosen bis 2019 veröffentlicht. Wirtschaftsminister Ulyukayev hatte dazu bereits am 21. April im Kabinett berichtet . Die russische Regierung sieht die Entwicklung deutlich optimistischer als fast alle anderen Experten. Während in einer im Januar bekannt gewordenen Prognose-Variante des Wirtschaftsministeriums für 2016 noch von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,8 Prozent die Rede war, geht es in seinem Basisszenario inzwischen sogar von einem Abflauen der Rezession auf nur noch 0,2 Prozent in diesem Jahr aus. Für 2017 wird ein Wachstum um 0,8 Prozent erwartet.

Einige andere Beobachter rechnen aber selbst 2017 bei niedrigen Ölpreisen noch mit Rezession. So geht die renommierte Moskauer Higher School of Economics davon aus, dass bei einem Ölpreis von 35 Dollar pro Barrel die Produktion 2017 um 0,9 Prozent sinkt. Auch die russische Zentralbank äußerte sich Mitte März sehr vorsichtig. In ihrem Basisszenario erwartet sie im nächsten Jahr eine annähernd stagnierende Produktion.

EU, IWF und Weltbank deutlich skeptischer als Regierung

Die EU-Kommission, der IWF und die Weltbank beurteilen die russische Wachstumsentwicklung erheblich pessimistischer als die Regierung. Der IWF rechnet in seinem Weltwirtschaftsausblick vom 12 April für Russland nach einem weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent mit einer schwachen Erholung im nächsten Jahr (+0,8 Prozent). Ganz ähnlich war das Basisszenario der Weltbank eine Woche zuvor ausgefallen. Auch die Anfang Mai vorgelegte Prognose der EU-Kommission rechnet nach einem weiteren Rückgang der Produktion um 1,9 Prozent im nächsten Jahr nur mit einem schwachen Wachstum (+0,5 Prozent).

Anders als das russische Wirtschaftsministerium sieht die EU-Kommission die Produktionsentwicklung in Russland vor allem im laufenden Jahr damit zunehmend skeptisch. Im Februar hatte sie noch mit einem rascheren Abflauen der Rezession auf 1,2 Prozent gerechnet.

EU-Kommission erwartet noch schwächere Investitionsentwicklung als Regierung

Als ein „Abwärtsrisiko“ für ihre – ohnehin schon unterdurchschnittliche Prognose – nennt die Kommission eine mögliche Verlängerung der Sanktionen. Damit würde das Vertrauen der Investoren beeinträchtigt und eine Erholung der Investitionen weiter verzögert. Ohnehin geht die Kommission davon aus, dass angesichts des eingeschränkten Zugangs zu den westlichen Kapitalmärkten, der gedrückten Vergabe von Bankkrediten und der schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die Investitionen der russischen Wirtschaft 2016 rasch weiter sinken (-4,2 Prozent). 2017 sei auch kaum mehr als eine Stabilisierung der Investitionen auf dem stark gedrückten Niveau zu erwarten (+0,3 Prozent).

Das russische Wirtschaftsministerium geht in seinem Basisszenario von einer günstigeren Entwicklung der Investitionen als die Kommission aus. 2016 würden sie schwächer sinken (-3,1 Prozent) als von der Kommission erwartet und 2017 stärker anziehen (+0,8 Prozent).

Bleibendes Risiko: Ölpreise

Als weiteres “Abwärtsrisiko” für ihre Prognose nennt die EU-Kommission eine erneute „Volatilität“ der Ölpreise. Sie würde durch zusätzliche Einnahmeausfälle und eine Abwertung des Rubel den Druck auf den Staatshaushalt und den Finanzsektor weiter erhöhen. In ihrer Frühjahrsprognose geht die Kommission davon aus, dass der Brent-Preis im Jahresdurchschnitt 2016 weiter auf 41,1 Dollar/Barrel sinkt (-23 Prozent gegenüber 2015) und 2017 nur schwach auf 45,9 Dollar/Barrel steigt (+11,7 Prozent).

Das russische Wirtschaftsministerium berücksichtigt in einem „konservativen“ Szenario das Risiko eines erneuten Rückgangs der Ölpreise. Fällt der Urals-Preis im Jahresdurchschnitt 2016 auf 25 Dollar je Barrel zurück, rechnet das Ministerium für dieses Jahr mit einem weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 2,1 Prozent. Verharrt der Ölpreis auch in den kommenden Jahren bei 25 Dollar, werde sich die Rezession sogar im nächsten Jahr fortsetzen (-0,4 Prozent). Erst 2018 werde die Wirtschaft in diesem Fall wieder wachsen – und dies auch nur sehr schwach (+0,7 Prozent).

Im Durchschnitt der ersten 4 Monate 2016 erreichte der Urals-Ölpreis übrigens knapp 34 Dollar/Barrel.

Hier folgt nun die Übersicht in Tabellenform:

Tabelle: Prognosen gesamtwirtschaftliche Produktion in Russland

Schätzung des Bruttoinlandsprodukts, real gegenüber dem Vorjahr, angegeben in Prozent (Stand: 06. Mai 2016).
InstitutDatum201620172018
Wirtschaftsministerium, Basisszenario2016/05/06-0.20.81.8
Economist-Poll2016/05/06-1.31.2
Europäische Kommission2016/05/03-1.90.5
Commerzbank, Frankfurt2016/04/29-2.51.3
Berenberg Bank, Hamburg2016/04/29-1.60.1
Alfa Bank, Moskau2016/04/28-0.32.5
Moody's2016/04/22-1.5
Bloomberg-Poll2016/04/22-1.31.3
Danske Bank, Kopenhagen2016/04/21-2.11.8
Nordea, Oslo2016/04/21-1.31.1
GazpromBank2016/04/20-1.7
VneshEconomBank, Basisszenario2016/04/19-1.3 bis -1.9 1.42.3
Gaidar-Institut, Basisszenario2016/04/18-2.00,0
Fitch Ratings2016/04/15-1.51.5
Gemeinschaftsdiagnose2016/04/14-1.30.9
Deutsche Bank2016/04/14-0.70.5
Reuters Poll2016/04/13-1.31.1
IWF, Washington2016/04/12-1.80.81.0
Deka Bank, Frankfurt2016/04/12-1.61.1
Focus Economics-Poll2016/04/12-1.31.2
Allianz, München2016/04/08-11.5
Unicredit, Wien2016/04/07-2.51.2
BNP Paribas, Paris2016/04/07-1.80.6
Raiffeisen Bank International, Wien2016/04/06-2.01.5
Weltbank, Basisszenario2016/04/06-1.91.11.8
Zentralbank, Basisszenario2016/03/18-1.3 bis -1.5-0.5 bis +0.51.5 bis 2.0
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Russisches Wirtschaftsministerium: Sozio-ökonomische Entwicklung bis 2019; 06.05.2016

EU-Kommission: European Economic Forecast, Spring 2016; Russian Federation; 03.05.2016

Prime.biz: Ministry: Russia’s GDP to fall 0.2%, invest to shrink 3.1% 2016; 29.04.2016

Vladimir Miklashevsky (Danske Bank): Russian output and demand: cautious stabilisation; 21.04.16

Dmitry Savchenko (Nordea): Russia Outlook: Better than expected, but still challenging time, 20.04.

Gulnara Khaidarshina (Gazprombank): Key 2016 Macro Forecasts Update; 20.04.2016

Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook; 12.04.2016

Focus Economics: Russia Economic Outlook; 12.04.2016

Daria Orlova (Deka Bank): Russland: Konjunkturentwicklung weniger schwach als erwartet; 12.04.16

Weltbank: Russia Monthly Economic Developments; 11.04.2016; Russia Economic Report; 06.04.16

Allianz: Russland: Kennzahlen und Prognosen; 08.04.2016

Johanna Melka (BNP Paribas): Russia: Growing risks; 07.04.2016

[/su_spoiler] [accordion open_icon=”camera-retro” closed_icon=”camera-retro”] [/su_spoiler] Quelle: Pixabay.com

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