Ost-Ausschuss: „Wir wollen deutsche Qualität bei der Lokalisierung“

Seit dem 13. März 2017 gibt es eine Medienpartnerschaft zwischen der Nachrichtenseite Ostexperte.de und dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Der Leiter der Kontaktstelle Mittelstand im Ost-Ausschuss, Jens Böhlmann, verfasst im zweiwöchigen Rhythmus eine Kolumne auf Ostexperte.de.

Ost-Ausschuss-Kolumne: „Wir wollen deutsche Qualität bei der Lokalisierung“

Von Jens Böhlmann, Kontaktstelle Mittelstand im Ost-Ausschuss


Mit ausholendem Schwung unterzeichnet Alexander Braverman, der wichtigste russische Mittelstandsförderer, die erste Roadmap mit einer deutschen Firma zur Qualifikation russischer Zulieferer. Die Dynamik dieser Bewegung unterstreicht die Bedeutung des Momentes, denn die Unterschrift könnte Gold wert sein: für WILO, das erste deutsche Unternehmen, das sich zu diesem Schritt entschlossen hat, für den russischen Mittelstand und in größeren Zusammenhängen gedacht für die deutschen Erstausrüster (OEM) und die russische Wirtschaft insgesamt.

Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft | Kooperationsvereinbarung
Von links nach rechts: Dr. Wolfgang Büchele, Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, Jens Dallendörfer, CEO WILO Rus, Prof. Alexander Braverman, Generaldirektor Korporation MSP. Quelle: Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Auf jeden Fall ist die Vereinbarung der Auftakt zu einer groß angelegten Kampagne zur Stärkung des russischen Mittelstandes mit Hilfe deutscher Unternehmen. Davon ist auch Wolfgang Büchele, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft überzeugt: „Das hilft dem russischen Mittelstand und unseren Unternehmen in fundamentaler Weise. Genau deshalb haben wir dieses Projekt mit Hochdruck vorangetrieben.“

Praxisnah zum Nutzen der Unternehmen

Der Plan wurde im Herbst vergangenen Jahres geboren, als sich Büchele und Braverman in Berlin begegneten, um ein Pilotprojekt zum Nutzen der Wirtschaft zu starten. Nun ist Mittelstandsförderung als Thema weder neu noch besonders originell; in so ziemlich jeder wirtschaftspolitischen Rede wird darüber gesprochen.

Nur leider kommen die meisten Initiativen über das Stadium der Theorie nicht hinaus oder sind so fern vom Alltag der Unternehmen, dass sie kaum praktischen Nutzen entfalten. Das genau wollten die beiden besser machen.

Geld allein reicht nicht

Denn in der Vergangenheit hat der russische Staat viel Geld in die Hand genommen, um einen leistungsfähigen Mittelstand zu entwickeln. Flankierend wurden neue Gesetze erlassen, die Großkonzerne zwingen, einen signifikanten Teil ihrer Ausschreibungen an Mittelständler zu vergeben. Passend dazu wurden föderale wie regionale Förderprogramme aufgelegt.

Allerdings lösten alle diese Versuche das Hauptproblem nicht: Wie wird aus einer durchschnittlichen russischen Firma ein qualifizierter, zuverlässiger, konkurrenzfähiger, innovativer industrieller Mittelständler? Allein die Vielzahl der Attribute lässt die Schwere der Aufgabe deutlich werden. Denn genau nach diesen Firmen suchen sowohl russische als auch internationale Konzerne auf dem russischen Markt meist vergebens.

Deutsche Firmen „züchten“ sich Lieferanten

Was also tun? Die meisten deutschen in Russland produzierenden Firmen griffen aus Mangel an Alternativen zur Selbsthilfe und suchten und „züchteten“ sich ihre Lieferanten selbst, ein Ansatz, der Zeit, Personal und Geld verschlang und kaum je Skaleneffekte brachte.

Vor gut eineinhalb Jahren hat dann Präsident Putin persönlich die Gründung einer Agentur zur Unterstützung des Mittelstandes empfohlen, um flächendeckend für Abhilfe zu sorgen. Die Agentur mit dem sperrigen Namen „Aktiengesellschaft Föderale Korporation zur Entwicklung des kleinen und mittleren Unternehmertums“, der von Beginn an Alexander Braverman vorsteht, hat explizit die Aufgabe, große und kleine Unternehmen zusammenzubringen.

Kontaktstelle Mittelstand verbindet die Partner

Allerdings muss man auch OEM und Mittelständler zuerst überzeugen, Zeit und Manpower zu investieren, um am Ende qualifizierte Supplier zu bekommen. An dieser Stelle kam die Kontaktstelle Mittelstand des Ost-Ausschusses ins Spiel, um die Kontaktanbahnung zu realisieren. Drei Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses, die schon lange auf dem russischen Markt aktiv sind, erklärten sich bereit, an dem Projekt teilzunehmen und eine offizielle Vereinbarung zu unterzeichnen.

„Wir sind in Russland hoch willkommen“

Dass der Dortmunder Pumpenhersteller WILO dabei den Anfang gemacht hat, kommt nicht von ungefähr. Das Unternehmen hat 35 Millionen Euro in eine hochmoderne Produktion in Noginsk investiert und will in einigen Jahren den höchstmöglichen Lokalisierungsgrad erreichen, den der russische Markt zulässt, und dazu werden zwangsläufig russische Zulieferer gebraucht.

Die unterzeichnete Roadmap fixiert den zeitlichen Rahmen dafür. Bis Ende 2019 sollen die Lieferanten in der Lage sein, nach den Qualitätsstandards von WILO zu produzieren und perspektivisch Teil der weltweiten Supply Chain werden.

„Wir sind in Russland in der Vergangenheit überdurchschnittlich gewachsen, waren auch den Krisenjahren profitabel und wollen jetzt gemeinsam mit unseren russischen Partnern durchstarten. Außerdem sind wir in Russland hoch willkommen. Deshalb ist es uns auch wichtig, an solchen Initiativen beteiligt zu sein. Auch Oliver Hermes, unser CEO, glaubt an die strategische Bedeutung des russischen Marktes“, beschreibt Jens Dallendörfer, der CEO WILO Russland, die Motivation des Unternehmens.

Weitere Firmen werden folgen

Noch in diesem Jahr werden zwei bis drei weitere deutsche Firmen ähnliche Vereinbarungen schließen und so sich selbst und dem russischen Mittelstand helfen. „Wir haben immer wieder betont, dass die deutsche Wirtschaft der bevorzugte Partner bei der Lokalisierung und Modernisierung Russlands sein sollte. Wir wollen ja gerade deutsche Qualität und Zuverlässigkeit bei der Umsetzung der Lokalisierung. Dass ein deutsches Unternehmen wie WILO die erste Roadmap unterzeichnet, ist deshalb besonders wichtig“, so Braverman.

Wahrscheinlich wird sich erst in ein oder zwei Jahren zeigen, ob das Projekt erfolgreich ist, aber eines lässt sich heute schon sagen: Wenn Russland in der Zukunft eine wichtigere Rolle in den weltweiten Produktionsprozessen spielen will, dann ist dieses Projekt genau der richtige Ansatz.


Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand für Russland beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Foto: zVg
Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand
im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Die Kontaktstelle Mittelstand ist eine Initiative zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Sie nahm im Mai 2013 ihre Arbeit auf. Ziel der Kontaktstelle ist die Unterstützung deutscher mittelständischer Unternehmen, die einen Markteintritt oder den Ausbau ihrer Geschäftsaktivitäten in den durch den Ost-Ausschuss vertretenen Ländern, insbesondere jedoch in Russland planen.

Anfragen richten Sie bitte an: j.boehlmann@bdi.eu