Ost-Ausschuss-Kolumne: Es war einmal der Ölpreis

Seit dem 13. März 2017 gibt es eine Medienpartnerschaft zwischen der Nachrichtenseite Ostexperte.de und dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Der Leiter der Kontaktstelle Mittelstand im Ost-Ausschuss, Jens Böhlmann, verfasst im zweiwöchigen Rhythmus eine Kolumne auf Ostexperte.de.

Ost-Ausschuss: Es war einmal der Ölpreis

Von Jens Böhlmann, Kontaktstelle Mittelstand im Ost-Ausschuss


In Abwandlung eines Goethe-Zitates ließe sich sagen, „Nach Öle drängt, am Öle hängt doch alles. Ach, wir Armen!“

In der Tat spielt das schwarze Gold vielerorts immer noch eine herausragende Rolle. Eines der bestgehüteten Staatsgeheimnisse sind die förderbaren Ölreserven Saudi-Arabiens. Ähnliches gilt für den Ölpreis, auf dessen Grundlage ein ausgeglichener russischer Staatshaushalt berechnet wurde und wird. Zahlen geistern viele durch den Äther, Klarheit gibt es wenig. Fest steht allein, dass trotz gegenläufiger Bemühungen die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten weiter gestiegen ist. Noch immer haben Energieträger einen Anteil von fast zwei Dritteln am russischen Gesamtexport. Sollte der Ölpreis steigen, erhöht sich auch dieser Anteil weiter.

Abhängigkeit all überall

Russland ist allerdings bei Weitem nicht die einzige Volkswirtschaft, deren Entwicklung maßgeblich von der Ölpreisentwicklung abhängt. Rund um den Globus schauen Budgetplaner mit Argusaugen auf den Kurs. Von Venezuela, Brasilien, Mexiko über die Länder des Maghreb, Angola, Nigeria, Schottland, Norwegen, die Golf-Anrainerstaaten, Iran, Irak bis hin zu Aserbaidschan, Kasachstan und endlich auch Russland. Es gibt also Viele, die gern wüssten, wohin sich der Markt entwickelt.

Um zu verstehen, wie und warum sich der Ölpreis verändert, lohnt ein Blick in die jüngste Vergangenheit. Ende Juni 2014 wurde ein Barrel der sibirischen Sorte Urals mit 110 US-Dollar gehandelt. Ende Januar 2016 erzielte man dafür noch rund 30 US-Dollar. Diese Entwicklung traf Russland besonders hart, da die Wirtschaft schon unter dem rapiden Rubelverfall, den Wirkungen der Sanktionen und einer galoppierenden Inflation litt.

Was war passiert? Mit der Verbesserung der Fördertechnologie für Schieferöl in den USA war ein neuer Player am Markt aufgetaucht, der den etablierten Anbietern Konkurrenz machte. Doch damit nicht genug: Mit einem Schlag konnte sich der riesige amerikanische Markt selbst versorgen und schickte sich an, zum Nettoexporteur zu werden. Zusätzlich ließ die Nachfrage aus China nach und die weltweite Konjunktur entwickelte sich schwächer als erwartet.

Saudi-Arabiens Versuch der Marktmanipulation

Vor allem den Saudis war diese Entwicklung ein Dorn im Auge. Deshalb pumpten sie unaufhörlich Öl in den Markt, um den Preis so weit zu drücken, dass die Konkurrenz wieder verschwinden würde. Und in der Tat mussten unzählige Fracking-Unternehmen in den USA ihre Produktion einstellen – vorübergehend. Der Coup schien also geglückt. Allerdings hatte die Sache für Saudi-Arabien einen ganz entscheidenden Nachteil.

Mit stetig sinkendem Ölpreis begann eine massive Kapitalflucht. Anleger suchten sich sicherere Märkte. Außerdem ist das Land in viel stärkerem Maß als z.B. Russland von den Erlösen aus dem Verkauf von Öl abhängig – es ist praktisch das einzige Exportgut, und damit haben die Verkäufe auch direkten Einfluss auf die Leistungsbilanz.

Der Zusammenhang ist so frappierend, dass man mit einer einfachen Gleichung berechnen kann, wann die Devisenreserven aufgebraucht und das Land eine negative Bilanz ausweisen müsste. Augenblicklich schmelzen die Reserven um etwa zehn Milliarden US-Dollar pro Quartal.

Saudi Arabien: Wie lange reichen die Devisenreserven?
Saudi-Arabien: Wie lange reichen die Devisenreserven?
Y-Achse: Jahre bis zum vollständigen Abbau der Währungsreserven in Abhängigkeit vom unterstellten Ölpreis in USD pro Barrel (X-Achse). Quelle: Commerzbank

Noch ist der Ölpreis zu niedrig

Die saudische Leistungsbilanz wäre bei einem Barrel-Preis von rund 75 US-Dollar ausgeglichen. Ein Wert, den Öl aller am Weltmarkt gehandelten Sorten in diesem Jahr noch nicht erreicht hat. Ein Barrel der Nordseesorte Brent wird augenblicklich mit ungefähr 50 US-Dollar gehandelt.

Bliebe es bei diesem Preis, hätte das Land noch Devisenreserven für etwa zehn Jahre, dann wäre Saudi-Arabien zahlungsunfähig. Einen zweiten Versuch den Ölpreis auf diese Weise zu manipulieren kann sich Saudi-Arabien schlicht nicht leisten. Zumal die amerikanischen Fracking-Firmen mittlerweile bei einem Preis von 55 bis 60 US-Dollar wieder ins Geschäft einsteigen können.

Abhängigkeit lässt sich nur mit Reformen und Investitionen verringern

Was bedeutet diese Erkenntnis für die russische Wirtschaft und das Budget? Wenn keine extremen Ereignisse eintreten, wird der Ölpreis mit einiger Wahrscheinlichkeit weiter sukzessive steigen. Eine ähnliche Entwicklung wie 2015 ist damit ausgesprochen unwahrscheinlich. Die kluge, weitsichtige und unabhängige Politik der Zentralbank hat darüber hinaus dazu beigetragen, dass sich die russische Wirtschaft langsam konsolidiert, die Inflation bei nur noch etwas über vier Prozent liegt und die Devisenreserven wieder steigen.

Wirklich brummen würde die Wirtschaft aber nur, wenn ein Barrel wieder für 90 bis 100 US-Dollar verkauft werden könnte. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt. Es gilt also nach wie vor, eine stabilere und weniger von Energieträgern abhängige Wirtschaft braucht Reformen, Investitionen und die Förderung von wirklich zukunftsfähigen Technologien.

Sie wissen ja, früher galt: Sowjetmacht plus Elektrifizierung des gesamten Landes gleich Kommunismus. Heute gilt: Modernisierung der Wirtschaft plus Diversifizierung gleich Zukunftsfähigkeit.

Ölpreis in USD pro Barrel und Leistungsbilanz in Mrd. USD, Quartalsdaten.
Der Ölpreis treibt die Leistungsbilanz
Ölpreis in USD pro Barrel und Leistungsbilanz in Mrd. USD, Quartalsdaten. Quelle: Commerzbank

Nachschrift

Es bedarf eigentlich keiner speziellen Erwähnung mehr: Aber genau für diesen Qualitätssprung, der Russland auch zum wirtschaftlich relevanten Mitglied der G8 machen würde, ist der deutsche Mittelstand, die deutsche Wirtschaft insgesamt der ideale Partner.

Eben weil die deutsche Wirtschaft so stark mittelständisch geprägt ist, hat sie für alle Stufen der Industrialisierung, der Modernisierung und der Digitalisierung die notwendigen Angebote im Portfolio. In jedem Fall steht sie bereit, um bei entsprechender Nachfrage liefern zu können.


Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand für Russland beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Foto: zVg
Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand
im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Die Kontaktstelle Mittelstand ist eine Initiative zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Sie nahm im Mai 2013 ihre Arbeit auf. Ziel der Kontaktstelle ist die Unterstützung deutscher mittelständischer Unternehmen, die einen Markteintritt oder den Ausbau ihrer Geschäftsaktivitäten in den durch den Ost-Ausschuss vertretenen Ländern, insbesondere jedoch in Russland planen.

Anfragen richten Sie bitte an: j.boehlmann@bdi.eu