Morgenkommentar am 31. Januar 2017

Zufall oder gutes Timing? Pünktlich zum Deutschlandbesuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko eskaliert die Lage an der Kiewer Ostfront. Zuerst kommt es zu Schießereien in der Ortschaft Makejewka, dann in Awkejewka. Angeblich ist eine ganze Siedlung infolge der Kriegshandlungen von Strom, Wasser und Heizung abgeschnitten. In der Nacht zum Dienstag bricht Poroschenko dann seine Reise ab und fliegt in die Heimat zurück.

Wenigstens hat er zuvor das Berliner Kanzleramt anständig zu den Schuldigen gebrieft: Russland und dessen Handlanger im Donbass. Klar, die Freikorps und die Truppen auf der Regierungsseite schießen nie als erste, schließlich sind sie Teil der europäischen Wertewelt. Nach dem Gespräch mit der Kanzlerin teilt Poroschenko seine Bedingungen für ein gutes Verhältnis der Deutschen zur Ukraine mit: “Wenn die Umsetzung [des Minsker Abkommens] nicht gelingt, fordern wir die Aufrechterhaltung und, wo erforderlich, Steigerung des Sanktionsdrucks auf Russland.”

Die klare Ansage stößt in Berlin, wo der Gedanke an eine mögliche russisch-amerikanische Entente Albträume auslöst, auf offene Ohren. Dass seit fast eineinhalb Jahren nicht die Russen, sondern die Ukrainer mit ihrer Autonomieverweigeerung für die Ostukraine den Minsker Prozess blockieren, stört in der deutschen Hauptstadt keinen großen Geist.

Mit der Mischung aus Frontscharmützeln, dem Ruf „Haltet den Dieb“ und dramatischen Abgängen sorgt man nicht nur im Theater für Wirkung. Und es ist höchste Zeit für die Falken, in ihrem Sinn Fakten zu schaffen. Bereits in der Nacht zum Sonntag haben Trump und der französische Präsident Hollande Möglichkeiten zum Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen eruiert. In Kiewer Regierungskreisen geht, in den Worten des Volksmunds, der A[/su_spoiler] auf Grundeis. Bei Licht besehen stützt nur noch Deutschland den harten Kurs, verbreiten nur noch deutsche Medien die Mär vom Land, das sich mit jeder Faser nach Westen sehnt. In Wahrheit wollen die Ukrainer nur gut leben und ihre Nation lieben, oder ein jeder seinen Teil davon. Wenn man sie nur ließe.