Deutsche Unternehmen kehren nach Russland zurück

Deutsche Unternehmen kehren nach Russland zurück

“Erwartungen, die Sanktionen könnten zu Spannungen innerhalb der russischen Führungselite führen, haben sich nicht erfüllt“, erklärte Russland-Kenner Gerhard Mangott im Interview mit dem 3sat-Wirtschaftsmagazin makro. Stattdessen haben vor allem die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen unter den Sanktionen gelitten.

Seit Frühjahr 2013 fielen die deutschen Russland-Exporte 13 Quartale in Folge. Viele deutsche Unternehmen zogen sich ab Sommer/Herbst 2014 auch wegen des schwachen Rubelkurses aus dem Land zurück. Berechnungen von Wirtschaftsforschern zufolge ist die deutsche Produktion aufgrund der Strafmaßnahmen 2014 und 2015 um 13,5 Milliarden Euro gesunken. Auch 60.000 Arbeitsplätze seien verloren gegangen.

Schaden durch Sanktionen liegt im Milliardenbereich

“De facto kann sicherlich festgehalten werden, dass die Gesamtlast der Wirtschaftssanktionen für die europäische Wirtschaft – inklusive Russland – mittlerweile im dreistelligen Milliardenbereich liegt“, erklärte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft Wolfgang Büchele im Handelsblatt.

Trotz der angespannten Lage ist der deutsch-russische Dialog zumindest auf wirtschaftlicher Ebene nicht abgebrochen. Dies beweist unter anderem der Besuch von Sigmar Gabriel mit einer ranghohen Wirtschaftsdelegation auf Wladimir Putins Residenz im diesjährigen September. 

Deutsche Russland-Exporte sind angestiegen

Der Paukenschlag ertönte jedoch gegen Ende dieses Novembers. Erstmals seit Beginn der westlichen Sanktionen sind die deutschen Russland-Exporte angestiegen, meldete der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. „Die aktuellen Zahlen lassen hoffen, dass der deutsch-russische Handel nach zwei verlustreichen Jahren die Talsohle durchschritten hat“, erklärte Geschäftsführer Michael Harms gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Exporte legten im dritten Quartal binnen Jahresfrist um 3,9 Prozent zu. „Setzt sich die aktuelle Entwicklung fort, könnte für das Gesamtjahr 2016 noch ein leichtes Exportplus erreichbar sein.“

Auch die Pressestelle der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) bestätigt diese Entwicklung auf Anfrage von Ostexperte.de: “Die verbesserten Russland-Exporte lassen sich vor allem mit einer zunehmenden Stabilisierung der russischen Wirtschaft in den letzten Monaten begründen. Diese Entwicklung stimmt die Unternehmen deutlich optimistischer.“

Deutsche Direktinvestitionen in Russland

Doch nicht nur die Ausfuhr nach Russland verzeichneten ein Wachstum – auch die deutschen Direktinvestitionen legten deutlich zu. “Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir im 3. Quartal 2016 eine deutliche Steigerung des Engagements deutscher Unternehmen in Russland sehen“, so die AHK Russland. Im 1. Halbjahr 2016 lag die Zahl der Direktinvestitionen bei 1,73 Milliarden Euro. Damit wurde in einem halben Jahr fast genauso viel investiert wie im gesamten Jahr 2015 (1,78 Milliarden Euro).

Da wäre zum einen das Engagement der Konzerne: Volkswagen Russland investierte 180 Millionen Euro in die Produktion der zweiten Generation des VW-SUV Tiguan in Kaluga. Henkel eröffnete jüngst ein Werk im russischen Noginsk in der Oblast Moskau. Und ein deutsches Konsortium aus Siemens, Deutsche Bahn, Deutsche Bank und anderen Unternehmen kündigte an, bis zu 2,7 Milliarden Euro in eine Zugstrecke von Moskau nach Kasan investieren zu wollen. 

Mittelständische Unternehmen

Zum anderen jedoch ist das Engagement mittelständischer Unternehmen bemerkenswert: OBO Bettermann eröffnete ein neues Produktionswerk in der Sonderwirtschaftszone Lipezk. Der deutsche Werkzeughersteller Special Tools Technology (STT) unterzeichnete eine Investitionsvereinbarung in Höhe von rund 100 Millionen Euro mit der russischen Region Uljanowsk. Das deutsche Saatgut-Technologieunternehmen Petkus will in der russischen Region Stawropol über 35 Millionen Euro in eine Mais-Kalibrierungsanlage investieren.

SpezInvestKontrakte

Darüber hinaus beobachten die deutschen Unternehmen mit Interesse ein neues Instrument: Die sogenannten „SpezInvestKontrakte” (SPIK). Die AHK Russland erklärt dazu: “Firmen verpflichten sich dazu, eine langfristige Produktion mit hohem Lokalisierungsgrad in Russland aufzubauen. Im Gegenzug sichert ihnen die Regierung unveränderte Rahmenbedingungen und Steuervergünstigungen zu.“

Ein Beispiel ist der deutsche Landmaschinenbauer Claas, der mit seinem Werk in Krasnodar einer der ersten Unterzeichner eines Sonderinvestitionsvertrags war. Damit erhielt das Unternehmen den Status eines russischen Herstellers und ist den russischen Unternehmen steuerlich gleichgestellt. “Hier muss die russische Regierung den Unternehmen zeigen, dass sich ein solch langfristiges Bekenntnis zu Russland per SPIK lohnt“, so die AHK.

Wachstumsbranchen

Die russischen Wachstumsbranchen sind Germany Trade and Invest zufolge vor allem Textilindustrie, Ernährungsindustrie, Chemie-, Pharmaindustrie sowie die Luftfahrtindustrie. Schwierig haben es nach wie vor unter anderem die Autobauer und die Bauwirtschaft. Aber auch in den schwachen Branchen lassen sich antizyklische Investitionen von Unternehmen beobachten, die wie VW langfristig auf den russischen Markt setzen. 

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[accordion open_icon=”camera-retro” closed_icon=”camera-retro”] [/su_spoiler] Quelle: Pixabay.de

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