Das kleine Einmaleins der russischen Buchhaltung für den deutschen Geschäftsführer

Wer über die deutsche Bürokratie klagt, hat die russische noch nicht kennen gelernt. Die Praxis der russischen Rechnungslegung ist extrem bürokratisch, arbeitsaufwendig und wirtschaftlich oft nicht nachzuvollziehen. Mit dem Abbilden wirklicher Tatbestände oder den Informationsanforderungen des buchführenden Unternehmens hat das extensive Erstellen, Sammeln, Unterschreiben, Stempeln und Archivieren von Dokumentenbergen dabei weniger zu tun. Meistens geht es allein um das Einhalten von Vorschriften und Formalitäten.

Um diese kommt man i.d.R. nicht drum herum. Denn alle in Russland registrierten Unternehmen, einschließlich Repräsentanzen und Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften, sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Buchhaltung zu führen und den Behörden regelmäßig zu berichten. Diese Pflichten bestehen auch dann, wenn das Unternehmen noch keine Umsätze macht oder gar keine kommerzielle Tätigkeit ausführt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Grundlagen und wichtigsten Aspekte der russischen Buchhaltung.

Die wichtigsten Dokumente im Tagesgeschäft einer russischen Tochtergesellschaft sind die Rechnung, die Rechnung-Faktura und das Übergabeprotokoll. Die Rechnung selber, im russischen „Schjot“ genannt, gilt lediglich als Einladung zur Zahlung. Meist wird sie im Voraus per E-Mail oder Fax zugesendet, denn eine Zustellung mit der russischen Post würde zu lange dauern. Um wirksam zu sein, müssen alle russischen Buchhaltungsdokumente jedoch immer im Original mit Unter­schrift und blauem runden Firmenstempel vorliegen. Ein ausgedruckter Email-Anhang, ein Fax oder eine Kopie werden als Nachweis nicht anerkannt.

Anders als in Deutschland, ist allein die Rechnung für buchhalterische und steuerliche Zwecke nicht ausreichend. Zu jeder Rechnung gehören immer noch zwei weitere Dokumente – die Rechnung-Faktura, auf Russisch „Schjot-Faktura“, und das Übergabeprotokoll für erbrachte Leistungen oder Warenlieferungen. Die Rechnung-Faktura ist ein Beleg, der die im Rechnungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer gesondert ausweist. Liegt dieser Beleg nicht vor, kann die für eine Ware oder Dienstleistung gezahlte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden.

Damit eine bereits bezahlte Rechnung tatsächlich als Aufwand verbucht werden kann,  bedarf es neben Rechnung und Rechnung-Faktura noch des Übergabeprotokolls, in welchem sich die Vertragsparteien noch einmal schriftlich zusichern, dass eine Leistung ordnungsgemäß erbracht bzw. eine Ware ordnungsgemäß übergeben wurde und keine Beanstandungen vorliegen. Auf Russisch heißt dieses Protokoll für Dienstleistungen „Akt Peredachi-Prijoma“ und für Warenlieferungen „Tovarnaja Nakladnaja“.

Achtung: Für alle Ausgaben Ihrer russischen Tochtergesellschaft müssen immer Rechnung, Rechnung-Faktura und Übergabeprotokoll vorliegen. Nur so können diese Ausgaben als Aufwand anerkannt und die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht werden.

Um Bargeld in der Firmenkasse halten zu dürfen, muss eine offizielle Kasse mit Kassenbuch geführt werden. Dafür müssen im Vorhinein bei der Hausbank das so genannte Kassenlimit und ein Formularblock (Scheckbuch) zur Bargeldabhebung beantragt werden. Im Rahmen der Kassenhaltung sind bei jeder Ein- und Auszahlung weitere formalisierte Kasseneinnahme-, Kassenausgabe- und Vorschussbelege zu erstellen. In einer Art Spesenabrechnung, auf Russisch „Avansovy Otschjot“, werden dann nochmals alle Ausgaben erfasst.

Bei Ausgaben in bar oder per Kreditkarte ist darauf zu achten, dass auf dem Kassenausdruck die Steuernummer des Zahlungsempfängers angegeben und die Leistungen vollständig aufgelistet und genau benannt sind. Bei Wareneinkäufen ist zusätzlich noch ein „Tovarnyi Tschek“ anzufordern. Dabei handelt es sich um ein Dokument, welches alle eingekauften Artikel ein weiteres Mal detailliert auflistet. Eine Rechnung-Faktura wird beim Barkauf nicht ausgestellt und somit berechtigen Barzahlungen auch nicht zum Abzug der Vorsteuer.

Um Einnahmen in bar oder per Kreditkarte erzielen zu können, muss bei den Steuerbehörden ein offizieller Kassenapparat registriert werden. Jedoch dürfen auch nach der Registrierung die Kasseneinzahlungen nicht mit den Kassenauszahlungen verrechnet werden, sondern müssen gesondert bei der Bank eingezahlt werden. Die Annahme von Bargeld ohne registrierten Kassenapparat ist strafbar.

Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, sowie Körperschaftssteuererklärung sind quartalsweise bei den Steuerbehörden einzureichen. Hinzu kommen weitere Meldungen an die Sozialversicherungs- und Statistikbehörden. So dass insgesamt jedes Quartal mehr als 15 Berichte zu erstellen sind.

Internationale Zahlungen unterliegen der Devisenkontrolle. Bei einer Zahlung an Ihre Tochtergesellschaft von mehr als 5000 USD muss bei der russischen Hausbank ein so genannter Handelspass, auf russisch „Passport Sdelki“ beantragt werden. Dafür sind alle dieser Zahlung zugrunde liegenden Dokumente, also Verträge, Rechnungen etc., einzureichen.

Auch wenn Verträge in Fremdwährungen wie Euro oder US-Dollar abgeschlossen werden können, so müssen die Zahlungen, ob bar oder bargeldlos, immer in russischen Rubel erfolgen. Hierdurch entstehen häufig Währungskursdifferenzen zwischen den Daten der Verbuchung und der Zahlung der Leistung, woraus sich eine Verdopplung der Buchungssätze und Probleme bei der Berechnung der Umsatzsteuer ergeben.

Über die russische Bürokratie kann man schimpfen oder schmunzeln. Auf jeden Fall sollte man sie in professionelle Hände geben. Im Hinblick auf die Erledigung der Buchhaltung Ihrer Tochtergesellschaft oder Repräsentanz in Russland bedeutet das konkret die Einstellung eines erfahrenen Buchhalters oder die Zusammenarbeit mit einem professionellen Buchhaltungsanbieter, der Ihnen diese Tätigkeiten abnimmt und Ihnen für Ihre eigentliche Arbeit in Russland den Rücken frei hält.

Wenn Sie mehr über Buchhaltung und Steuern in Russland erfahren möchten, dann lesen Sie hier die Broschüre zu diesem Thema: http://www.rufil-consulting.com/publication/buchhaltung_und_steuern_in_russland.pdf

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 unter dem Titel “Russische Buchhaltung: Ein Überblick” in RUSSLAND aktuell veröffentlicht.

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Autor: Philipp Rowe, RUFIL CONSULTING