CLAAS: „Wir sind nach Russland gekommen, um zu bleiben“

Interview mit dem Generaldirekor von CLAAS in Krasnodar, Ralf Bendisch, über den Landmaschinen-Markt in Russland

Prof. Dr.-Ing. Ralf Bendisch ist Generaldirektor des deutschen Landmaschinen-Herstellers CLAAS in Krasnodar. Er spricht fließend Russisch und promovierte in der Fachrichtung Maschinenbau in Kiew. Seit 1998 arbeitet er für CLAAS. Im Interview mit Ostexperte.de spricht er über die Region Krasnodar, die Anforderungen an „russische Hersteller“ und die Zukunftspläne des Unternehmens.

CLAAS in Russland
Die Fabrik in Krasnodar, in der Kornkammer Russlands gelegen, nahm 2005 ihren Betrieb auf. CLAAS ist damit als erster großer Landtechnikhersteller mit einer eigenen Produktion in Russland aktiv. Die Produktionsstätte in Krasnodar ist auf eine Kapazität von 1.000 Maschinen pro Jahr ausgelegt und soll sich zu einem lokalen Kompetenzzentrum in der Landtechnik entwickeln.

Im Juni 2017 besuchte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel Ihren Standort in Krasnodar. Was macht Ihr russisches Werk so besonders?

Gegenwärtig ist das russische Montagewerk das modernste in der Landtechnik-Branche. In die Erweiterung hat CLAAS rund 120 Mio. Euro investiert. Es ist damit die größte Einzelinvestition in der über 100-jährigen Unternehmensgeschichte. Das Werk hebt sich vom Wettbewerb durch modernste Technologien im Bereich der Metallbearbeitung, Farbgebung, der ökologischen Verträglichkeit und des Produktionsmanagements ab.

In der 14-jährigen Geschichte von CLAAS in Krasnodar hatten wir mehrfach die Möglichkeit, Ehrengäste und russische Politiker in unserem Werk zu empfangen, Jedoch haben wir uns über den Besuch von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ganz besonders gefreut. Wir sehen es als besondere Anerkennung für unser langjähriges Engagement in Russland.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und Werksleiter Ralf Bendisch. © Thorsten Gutmann

Welche Vorteile bietet die Region Krasnodar als Produktionsstandort?

Bevor wir uns für den heutigen Standort entschieden haben, besuchte eine CLAAS-Expertengruppe, der u. a. auch ich angehörte, verschiedenste russische Regionen. Die Kuban-Region, in der Krasnodar liegt, wurde am Ende zum Sieger. Einer der wichtigsten Faktoren bei der Entscheidungsfindung war, dass in dieser Region auf 3% der Anbaufläche rund 10% der gesamten Getreideernte der Russischen Föderation produziert wird.

Wir haben verstanden, dass die Wortverbindung “Kornkammer Russlands” nicht nur ein Werbeslogan für die Krasnodar Region, sondern ein tatsächlicher Fakt ist. Unser Werk in Russland ließ uns unseren unmittelbaren Kunden näherkommen, die jederzeit den Betrieb besuchen und aus erster Hand den ganzen Produktionsprozess von Mähdreschern anschauen können. Das schafft Vertrauen.

Sowohl die Investitionsattraktivität der Krasnodar Region als auch die wohlwollende Haltung der lokalen Regierung gegenüber Investoren und insbesondere für uns ist besonders erwähnenswert. Die Verwaltungen der Stadt und der Region zeigen sich immer als zuverlässige Partner.

Sie haben als erstes ausländisches Unternehmen in Russland einen Sonderinvestitionsvertrag unterzeichnet. Wie kam es zu dieser Entscheidung – und wie profitieren Sie davon?

Das stimmt, dass wir das erste Unternehmen waren, mit dem ein spezieller Investitionsvertrag abgeschlossen wurde. Dieser Vertrag wurde 2016 im Rahmen des St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums mit der russischen Regierung, vertreten durch den Minister für Industrie, unterschrieben. Dadurch bekommen die in Russland hergestellten Produkte (Mähdrescher) offiziell den Status „vaterländische Produkte“ und der Erwerb von Mähdreschern wird nun durch finanzielle Unterstützung der Regierung subventioniert.

Somit haben wir nun die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie einheimische Hersteller. Es war ein langer Weg, bis unser CLAAS Werk in Krasnodar als russischer Hersteller anerkannt wurde. Unserer Meinung nach haben wir diese Anerkennung schon lange verdient. Wir verpflichteten uns, die Produktion in der Zukunft noch weiter zu lokalisieren und alle technologischen Operationen im russischen Werk nach den Bedingungen der Regierungsverordnung Nr. 719 zu erfüllen. Im Rahmen des Vertrages verpflichteten wir uns zusätzlich 750 Mio. Rubel (mehr als 10 Mio. Euro) in den Betrieb zu investieren.

Inwiefern konnten Sie als „russischer Hersteller“ bereits staatliche Subventionen in Anspruch nehmen?

Seit diesem Jahr sind die im Krasnodarer Werk hergestellten Mähdrescher offiziell in das staatliche Förderprogramm für russische Landmaschinenbauer aufgenommen worden. Seit dieser Saison können wir unsere Mähdrescher den Kunden mit 15-20% Rabatt nach den Programmbedingungen Nr. 1432 anbieten. Unlängst haben wir auch die ersten Fördermittel vom Ministerium für Landwirtschaft der Russischen Föderation bekommen. Das ist leider erst ein geringer Teil dessen, was wir bereits an Rabatten an unsere Kunden weitergegeben haben.

Wie kompliziert ist der Marktzugang für Landmaschinenhersteller in Russland? Welches sind die schwierigsten Anforderungen?

Auf dem russischen Markt sind heute alle Weltmarken der Agrartechnik anzutreffen. Russland ist offen für neue Teilnehmer. Jedoch ist es auch wichtig, dem Markt nicht einfach nur beizutreten, sondern auch das Ziel zu verfolgen, den Status des „russischen Herstellers“ zu bekommen und somit zu einem vollwertigen Marktteilnehmer aufzusteigen. Dafür ist die Erfüllung bestimmter technischer Voraussetzungen notwendig, die in dem Beschluss Nr. 719 beschrieben sind.

Wird von Mähdreschern gesprochen, sind das 16 technische Prozesse, die in Russland durchzuführen sind und die die gesamte Produktion des Mähdreschers betreffen. Deswegen ist der Markteintritt für Unternehmen mit einem neuen Produkt in Russland sehr kompliziert und langwierig. CLAAS hat bereits seit mehr als 10 Jahren eine eigene Produktion in Russland.

Inzwischen betrug der gesamte Umfang der Investitionen ungefähr 150 Mio. Euro, dies reicht jedoch noch nicht aus. Innerhalb der nächsten 2-3 Jahre werden wir weiter in die Lokalisierung der Bauteile und Baugruppen investieren. Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass die Mehrheit der Anforderungen selbstständig durchgeführt werden müssen, da es in Russland keine Lieferanteninfrastruktur gibt, die den CLAAS Qualitätsanspruch erfüllt, beziehungsweise angemessene Preise anbieten kann.

CLAAS-Werk in Russland
Das russische CLAAS-Werk ist sehr weitläufig. © Thorsten Gutmann

Stellt die russische Regierung dieselben Qualitätsansprüche an CLAAS wie an den Konkurrenten Rostselmasch? Ist es möglich, von einer Gleichberechtigung zu sprechen?

Um Technik in Russland zu verkaufen, ist jeder Hersteller verpflichtet, das Konformitätszertifikat aus dem technischen Regelwerk der Zollunion zu erhalten. In diesem Regelwerk sind sowohl die Anforderungen an die hergestellten Produkten als auch die Anforderungen an den Produktionsprozess und das Qualitätsmanagements in einem Werk beschrieben. Diese Forderungen sind für alle Hersteller einheitlich – sowohl für CLAAS als auch für „Rostselmasch“.

Wie hoch ist der Lokalisierungsgrad Ihrer Produktion in Krasnodar?

Unsere Lokalisierung wird laut dem speziellen Investitionsvertrag vom 17.06.2017 durchgeführt, dieser sieht die Erfüllung der geforderten technischen Prozesse für Mähdreschern vor, die Schritt für Schritt umzusetzen sind. Fast alle Komponenten, die aus Stahlblech gefertigt sind, kommen aus eigener Produktion.

Wie erfolgreich laufen die Verkäufe Ihrer Mähdrescher und Traktoren in Russland? Wann erreicht Ihr Werk in Krasnodar voraussichtlich die Gewinnzone? Welches sind Ihre stärksten Verkaufsmonate?

Wenn wir vom Mähdrescherverkauf in Russland – bezogen auf westlichen Marken – reden, ist fast jede zweite Maschine entweder ein TUCANO oder ein LEXION. Was die Traktoren betrifft, ist unser Marktanteil noch ein bisschen kleiner. Hier kommt ungefähr jeder dritte bis vierte Traktor von CLAAS. Wir fingen jedoch mit dem Traktorengeschäft erst viel später als unsere Wettbewerber an. Umso größer ist dafür jetzt die Dynamik: Letztes Jahr stieg unser Marktanteil um den Faktor drei. Zeitlich gesehen werden die Traktoren hauptsächlich von Februar bis April und im September verkauft. Bei den Mähdrescher liegt der Schwerpunkt zwischen Mai und Ende August.

Was die Rentabilität angeht, betrachten wir die Fabrik als eine langfristige Investition in die Zukunft. Nach russischen Rechnungslegungsvorschriften haben wir jedoch bereits im Kalenderjahr 2016 einen Gewinn erwirtschaftet.

Mähdrescherproduktion von Claas in Krasnodar
Mähdrescherproduktion in Krasnodar. © Claas

Wie hoch bewerten Sie die derzeitige Nachfrage nach Erntetechnologien in Russland?

Die aktuelle Landwirtschaftssaison läuft gut für CLAAS und zeigt ein erhöhtes Interesse an unseren Mähdreschern. Wir profitieren davon, dass die in Krasnodar hergestellten TUCANO Mähdrescher auf dem russischen Markt nach dem staatlichen Förderprogramm Nr. 1432 mit einem Rabatt von 15-20% verkauft werden können.

Nach Angaben des russischen Ministeriums für Landwirtschaft ist es notwendig, jedes Jahr etwa 12.000 neue Mähdrescher in Dienst zustellen, um den russischen Maschinenbestand aufzufrischen. Die Kapazität unseres Werks beträgt 2.000-2.500 Mähdrescher pro Jahr und ist damit groß genug, um hier einen wichtigen Beitrag zu leisten. Wenn man weiß, dass in Russland im Moment ungefähr 6.000 Mähdrescher pro Jahr verkauft werden, so reicht das nicht aus, um den existierenden Bedarf zu befriedigen. Ein Hindernis ist die mangelnde Zahlungsfähigkeit der Landwirte.

Welches sind die Zukunftspläne für das Russlandgeschäft von CLAAS?

Die russische Landwirtschaft hat ein sehr hohes Potenzial, jedoch braucht sie eine umfassende technische Modernisierung. Nur derjenige, der lokal produziert und entwickelt, ist in Wirklichkeit nah am Kunden. Als Familienunternehmen sind wir an langfristigen Beziehungen mit unseren Kunden, Mitarbeitern und Partnern in Russland interessiert. Wir sind hergekommen, um zu bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bendisch.

Dieses Interview führte Ostexperte.de-Chefredakteur Thorsten Gutmann.

Titelbild
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