Morgenkommentar am 21. März 2017

Auf dem Moskauer Roten Platz wurde gestern ein Mann mit grün bemaltem Gesicht und grünen Handflächen festgenommen. Die Polizisten erklärten ihm, es sei verboten, den Roten Platz mit grün bemaltem Gesicht zu betreten.

Der Mann ist der Blogger Nikolaj Danilow, und die grüne Farbe in seinem Gesicht war durchaus politisch gemeint. Am Tag zuvor, am Sonntag, hatte ein Unbekannter dem Korruptionsjäger und Oppositionellen Alexej Nawalnij im sibirischen Barnaul grünen Farbstoff ins Gesicht gespritzt – eine Jodverbindung, wie sie in jeder Apotheke um ein paar Rubel erhältlich ist.

Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen spannt sich die Atmosphäre. In St. Petersburg protestierten am Wochenende an die Zehntausend gegen gleich mehrere Vorhaben der Stadtregierung: die Rückgabe der Isaaks-Kathedrale an das Moskauer Patriarchat, die Zusammenlegung der Moskauer und Petersburger Nationalbibliotheken, die Schließung einer liberalen Privatuniversität und umstrittene Bauprojekte.

Am Wochenende beginnt eine neue Protestaktion der Frachtunternehmer gegen die Lkw-Maut, und in Kasan, der Hauptstadt der Wolgarepublik Tatarstan, finden täglich Proteste von Kunden insolventer Banken statt.

Es sind Einzelaktionen, gerichtet gegen inkompetente lokale Obrigkeiten – kein Maidan, keine Farbenrevolution, keine ausländische Hand im Spiel. Sie bezeugen vor allem die betrübliche Qualität des politischen Personals im Inneren, der Gouverneure, Bürgermeister und Verwaltungen.

Seit Jahren absorbiert das Äußere sämtliche Ressourcen politischer Kreativität: Krim und Ostukraine, Abgrenzung vom Westen, Annäherung an China, Rückkehr in den Orient. Die Innenpolitik bleibt den Ordnungshütern überlassen; von denen sind die meisten so stumpf und dumpf wie zu Gogols Zeiten. Das Ausmaß der Korruption hätte den Autor der “Toten Seelen” auch nicht überrascht.

Die Krimeuphorie ist verpufft, Trump ist in Washington im Sattel, ohne dass sich viel ändert, von den Erfolgen in Syrien wird niemand satt, die wirtschaftliche Erholung ist noch lange kein Boom. Und dann die Ausssicht auf Putin bis 2024. Russland droht ein Stimmungstief wie nach überstandenen Krisen.