Morgenkommentar am 15. März 2017

Heute vor genau 100 Jahren, am 15. März 1917 nach dem gregorianischen Kalender, unterzeichnete der russische Zar Nikolaus II. die Abdankungsurkunde zugunsten seines 12-jährigen Sohns Alexej. Der Zarewitsch wiederum verzichtete am Tag drauf auf den Thron.

Es war das Ende des feudalen Europas, das eineinhalb Jahrtausende zuvor aus den Resten der römischen Spätantike hervorgegangen war. Seit den Anfängen waren die Stammesfürstentümer, die Monarchien und schließlich die Imperien das strukturgebende Element der europäischen Ordnung. Ab dem 16. Jahrhundert eroberte diese Zivilisation die Welt, die Wissenschaft und die Technik. Die Blüte europäischer Kultur um 1900 übertraf alles, was die Menschheit über Jahrtausende hinweg hervorgebracht hatte.

Vier Imperien stürzten in rascher Folge: nach dem russischen das deutsche, dann das österreichisch-ungarische, schließlich das osmanische. Danach stritten Pöbel und Bürgertum um die Macht. Russland hadert bis heute damit, ihren Übergang ohne erbliche Legitimation zur Routine werden zu lassen. Nach zwei mörderischen Kriegen schufen die europäischen Staaten sich funktionierende Selbstverwaltungen – Demokratien. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden daraus Massendemokratien, ein gänzlich neuer Zustand. Die alte, die eigentlich europäische Gesellschaft fiel dem Vergessen anheim. Ein Zurück gibt es nicht. Die Globalisierung besorgt den Rest.

Wenn der russische Außenminister Sergej Lawrow inzwischen vom post-westlichen Zeitalter spricht – am heutigen Nachmittag vor 100 Jahren im kaiserlichen Eisenbahnwaggon auf den Gleisen der westrussischen Stadt Pskow, deutsch Pleskau, wurde der Grundstein dafür gelegt.